25.03.2012

Buenos Aires, 21. - 23.03

Die meisten Schaudergeschichten anderer Reisender über Diebstahl, Raub und ähnliches spielten bisher meist in der südamerikanischen Supermetropole Buenos Aires. Am ersten Tag hatten wir Falschgeld, am zweiten waren wir unmittelbare Zeugen eines Überfalls, als wir die vierundzwanzigtausendspurige "Avenida 9 de Julio" überquerten. Was uns übrigens trotz zahlreicher Versuche (unser Hostel lag dementsprechend "verkehrsgünstig") nicht in einem Rutsch gelingen wollte. Und so können auch wir in Zukunft die Furcht anderer Backpacker nähren, die dann ängstlich durch die argentinische Hauptstadt zappeln. Wirklich unsicher haben wir uns aber trotzdem nicht gefühlt, und nach dem Vorfall einfach darauf geachtet unser Geschmeide nur dann anzulegen, wenn unbedingt nötig. Ein Bild zeigt übrigens Berti mit Jorge, einem netten, wenn auch - im Vergleich zu den meisten anderen - eher schlecht rasierten "porteno", der uns freundlicherweise durch die Stadt begeleitete und uns den besten, und wirklich absolut empfehlenswerten Imbissstand "parilla mi sueno" (Grillfleisch, mein Traum) ans Herz legte. Da Buenos Aires berühmt für eine ungewöhnlich hohe Dichte an Demonstration und verschiedenste Kundgebungen ist, waren wenig verblüfft, als sich später auf dem Plaza zeitgleich mit den Veteranen des Falklandkrieges gleich zwei, völlig unabhängige Gruppen Großmütterchen mit weißen Kopftüchern ihrem Ärger Luft machen wollten und laut rufend, und in gebührendem Abstand zueinander, im Kreis marschierten. Die eine, mittlerweile eine handfeste und finanziell potente politische Organisation, hatte sich im damaligen Dunstkreis der Diktatur entwickelt und ursprünglich im Sinn, darauf aufmerksam zu machen, dass Angehörige, eben meist die Kinder (deshalb deren Windeln als Symbol auf dem Kopf), wegen ihrer Kritik an der Führung verschleppt wurden. Die Kinder dieser Kinder wiederrum, wurden nach dem Verschleppen ihrer Eltern an neue, meist regierungskonforme Eltern abgegeben. Und die zweite Gruppe in die Jahre gekommener Damen, demnach also eher die Großmütter, versuchen jetzt noch immer aufzuklären, welche der nun 20-30 jährigen Argentinier vielleicht sein Leben lang von den eigenen Eltern und sonstwem belogen wurde. So viel also zur gegenwärtigen argentinischen Vergangheitsbewältigung. Wirklich empfehlenswert ist ein Besuch im Tangoviertel Boca. Äußerst farbenfrohe kleine Gassen, Tangorhythmen, die einem von überall entgegenwabern, Künstler, die ihre kleinen Werke anpreisen, und zahlreiche Möglichkeiten sich für entprechenden Obulus mit waschechten, rassigen Tangoweibern (und auch -kerlen, waren weit weniger begehrt) abzulichten. 


Buenos_Aires

22.03.2012

Puerto Madryn, 18.03 - 20.03

Nach einer mehr als langwierigen Busetappe (im Rückblick jedoch fast ein Klacks) hinaus aus dem hochwassergebeutelten, chilenischen Punta Arenas (das Auswärtige Amt hat sogar Reisehinweise über den Äther geschickt, Marie ist aber nur etwas dreckig geworden, weil sie sich nicht hat tragen lassen wollen) hinein ins zunächst mal - bis auf den um Welten besseren Kaffee und den Umstand, dass man Männer, die einem das Reisegepäck in den Bus laden unbedingt ein paar Peseten zustecken muss, um nicht mit argwöhnischen Blicken bestraft zu werden -, nicht besonders anders wirkende Argentinien. Über Rio Gallegos steuerten wir mit einem der vielgepriesenen argentinischen Busunternehmen durch eine endlos eintönige, fast schon meditative Landschaft nach Puerto Madryn, Ausgangspunkt für Tagesausflüge auf die Halbinsel Valdés, Heimat zahlreicher Ansammlungen exotischer, teils bunt zusammengewürfelter Tiergruppen. Zunächst wurden wir aber bitter vom Busunternehmen Tramat enttäuscht. Kein Essen, keine Decke, klebrige Ledersessel, eine nur halbschließende Tür, kalt. Wir jetzt wissen ein echtes "Schwarzes Schaf", denn es geht um Welten besser. In Puerto Madryn angekommen, konnten wir zunächst etwas von dem in tiefem Patagonien schwer zu findenden Strandflair aufsaugen und waren verwundert darüber, dass die Nähe zum Meer nicht automatisch Wind und Kälte bedeuten muss. Um auf die Halbinsel zu gelangen, mussten wir wieder einen mehr oder weniger privaten Guide anheuern, hatten dann aber wieder einen exklusiven Ansprechpartner, der uns die dortigen Naturschätze ans Herz legen konnte, und wir bewunderten - vermutlich von Natur aus träge wirkende - Seelöwen, und konnten aus der Weite einen Blick auf weibliche, sich durch ihre hellere Farbe madenartig abhebenden Seeelfantinnen (auf den Bildern leider nicht zu erkennen) erhaschen. Die männlichen Seeelefanten (und besonders der Haremschef, genannt "Beachmaster"), wegen ihrer charakteristischen Schlabbernase und riesigen Ausmaße freudig erwarteten Geschöpfe, konnten wir leider nicht sehen, weil sie sich angeblich gemeinsam auf Nahrungsbeschaffung befanden, sich aber sehr viel wahrscheinlicher gemeinsam in irgendeiner Kneipe herumgetrieben haben. Die im seichten Wasser herumtollenden jugendlichen Seelöwen stehen übrigens auf dem Speiseplan der Orkas, die hier öfters auftauchen, um sich einen der Leckerbissen direkt vom Ufer zu schnappen. Neben den bereits auf Feuerland gesichteten Königspinguinen, konnten wir außerdem die ziemlich unscheuen Magellanpinguine aus nächster Nähe bestaunen, die sich wahlweise stehend oder liegend an der Küste aufhielten, um endlich ihre Kleinen zu entwöhnen. 


Puerto_Madryn

19.03.2012

Rund um und auf Feuerland, 13. - 17.03

Entgegen unserer eigentlichen Pläne - mal auf Feuerland sein wird generell überschätzt - haben wir doch noch den Sprung weg vom südamerikanischen Kontinent über die Magellanstraße auf diesen äußerst abgeschiedenen Zipfel der südlichen Hemisphäre gewagt. Von Punta Arenas aus ging's, endlich mal wieder auf See, mit der Fähre nach Porvenir, einem kleinen, verschlafenen, von den meisten Touristen, wenn überhaupt, nur als Tagesausflug besuchten Örtchen. Ein mehrfach gesichtetes Phänomen waren Kopfbedeckungen, die eine Art Mischung aus Basken- und 90er-Jahre Langlaufbommelmütze darstellen, vermutlich eine typisch feuerländische Art des Kopfschmucks. Innerhalb kürzester Zeit haben wir es geschafft, das beste Restaurant mit bodenständigstem Arbeiteressen und die angesagteste Kneipe der Stadt zu finden. In der Kneipe haben, ziemlich feindselig, ausschließlich Raucher Eintritt... mal was neues, war aber für vier Fünftel unserer Gruppe kein Problem. Der eigentliche Grund für unser Aufkreuzen auf Feuerland, war ein absoluter Geheimtipp eines Einheimischen, der uns verriet, dass ein ganzer Haufen Königspinguine in der Nähe von Porvenir auf die - verglichen mit den Tausenden anderen Artgenossen - etwas exotische Idee gekommen war, weit weg von antarktischen Gefilden eine kleine Kolonie zu gründen. Da sich öffentliche Verkehrsmittel nicht wirklich etablieren konnten, wurden wir von einem waschechten Feuerländer in seinem Pickup zu eben jener, neben dem eher faden Museum, vermutlich einzigen Attraktion rund um Porvenir gekarrt. Als einzige Touristen (an extrem überlaufenen Tagen im Hochsommer kommen ganze 20), konnten wir dann auch die exklusive Aufmerksamkeit des ansonsten vermutlich eher unterforderten Rangers im Pingupark genießen. Im Gänsemarsch, und in "silencio", ging's vorbei an diversen "No Pasar"-Schildern, bis wir nur einen halben Steinwurf von den prächtigen Vögeln entfernt waren, und kniend den Erklärungen unseres Guides lauschten. Auf der Rückfahrt versuchten wir dann, die häufig auf den Straßen anzutreffenden, unscheuen und scheinbar äußerst leckeren Guanakos zu überfahren. Leider ohne Erfolg. 

Feuerland

14.03.2012

Puerto Natales, 05. - 13.03

Nach vier Tagen auf Deck erreichten wir die reichlich abgelegene Hafenstadt Puerto Natales. Vor allem berühmt und beliebt bei zahlreichen, trekkingfixierten Reisenden wegen der großen Nähe zu einer der Nationalparkperlen des südamerikanischen Kontinents, Torres del Paine. Als Basiscamp für weitere Planungen unserer bis dato sechsköpfigen schweizerisch-deutschen Expeditionsgruppe diente das gemütliche Hostel "Casa Lili" mit reizender familiärer Stimmung, dünnen Wänden, einem eindrucksvollen Herd und der genialen Möglichkeit drittklassiges Ausrüstungsmaterial für sämtliche Outdooraktivitäten zu mieten. Nach ausreichender Planung und der Beschaffung von eher unaufregend anmutenden Kilokalorien ging es los in eine wirklich atemraubende Naturkulisse. Gebirgsmassive, die sich, von lang vergangenen Gletschern geformt, messerscharf aus der Ebene erheben, Ausläufer riesiger Eismassen, die leuchtend blaue Eisberge auf die Reise schicken, wunderschöne einsame Täler mit glattgeschliffenen senkrechten Flanken und kristallklaren Flüssen, die sich durch den dichten, urigen Wald schlängeln, und - jemand hat vor ein paar Monaten nach der Verrichtung seiner mutmaßlich großen Notdurft den genialen Einfall gehabt das benutzte Klopapier zu verbrennen - auch weite Landstriche, die völlig von den Flammen vernichtet wurden. War trotz der inbegriffenen Tragik äußerst beeindruckend. Die eigentlichen Hauptdarsteller und Namensgeber des Nationalparks, drei charismatische, mehere hundert Meter hohe Felszacken, konnten wir leider nicht bewundern, weil uns das ansonsten äußerst kooperative südpatagonische Wetter am letzten Tag dann doch noch in die Suppe spuckte. Hat uns aber wegen der Qualität voriger Eindrücke nicht besonders mitgenommen und der konsequent guten Teamstimmung nicht den gerinsten Abbruch getan - übrigens genauso wenig wie die insgesamt ca. 80 km, die erwandert wurden -, und es wurde einstimmig beschlossen, dass sie ohnehin völlig überbewertet sind. Für die, die unsere faunistischen Kommentare mit Interesse verfolgen, patagonische Pferde haben, auch nach hartnäckigsten Versuchen, keine Lust Brot zu essen. Achja, kleiner interessanter Zusatz noch. Wir hatten das große Glück, die hier äußerst bekannte Band "The Four Patagonian Tenors" im Park zu treffen. Wir konnten sie bei dem Shoot für ihr neues Albumcover beobachten (siehe Fotos) und sie haben auch ein kleines Ständchen in ihrem eigentümlichen Stil aus Deathmetall, klassischem neuapostlischen Kirchensingsang und traditionellen Mapucheeinflüssen zum Besten gegeben. 

Puerto_Natales

02.03.2012

Navimagfähre, 02. - 05.03.

Mit einer für Fährschiffe vermutlich chronischen Verspätung von über vier Stunden sind wir dann endlich in See gestochen. Zuvor haben wir uns in der Hafenstadt Puerto Natales noch mit konkurrenzlos billigen, selbstgestrickten Wollmützen eingedeckt, um dem wechselhaften patagonischen Wetter trotzen zu können, und sind über den Fischmarkt geschlendert, um verschiedenste Meeresleckereien in verschiedensten Stadien der Weiterverarbeitung bewundern zu können, bis hin zu einem feinen Knoblauchlachs auf unserm Teller. Nachdem man die Passagiere verladen hatte, wurde nach einem scheinbar ausgefeilten Try-and-error-system die eigentliche Fracht verladen und es blieb noch ausreichend Zeit andere Reisende zu beschnuppern, kennenzulernen und diverse soziale Grüppchen auf dem Oberdeck zu bilden. Da wir uns bewusst für die Holzklasse entschieden haben, teilten wir uns die Kajüte mit 42 anderen Expeditionsteilnehmern, was aber wirklich kein Problem war und eigentlich ziemlich gemütlich. Einziges Manko war die relativ große Nähe zu den gemeinschaftlich genutzten Toiletten, aber auch daran hat sich unsere olfaktorische Wahrnehmung ralativ schnell gewöhnt und wurde lediglich in der Nacht als wir den offenen Pazifik kreuzen mussten auf eine härtere Probe gestellt. Die Passagiere wurden sogar freundlicherweise darauf aufmerksam gemacht, wann die Antiseekrankpillen, zu 500 Pesos das Stück, zusammen mit einem Drink in der Schiffsbar eingenommen werden sollten, um heftigere Brechreize bereits im Keim zu ersticken. Trotzdem waren manche Mägen bzw. Gehörgänge nicht geeignet für 6 m hohe Pazifikwellen. 

Navimag

01.03.2012

Puerto Varas, 28.02. - 02.03.

Nach Pucon sind wir weiter Richtung Süden nach Puerto Varas gefahren, als letzte Bastion vor unserem Fährtrip ins wilde Patagonien. Unser Hostel, das "Casa Azul" - unter chilenisch-deutscher Führung -, war zwar mit weitem Abstand das sauberste Etablissement, das wir bisher besuchen durften, versprühte aber ungefähr so viel Charme wie Gertrudes Frühstückspension im Zentralallgäu. Überall Verbotsschilder und abgeschlossene Bücherregale, und zum Frühstück gab's Haferschleim, der auch den morgendlichen Energiehaushalt von Gästen weit über achtzig problemlos gewährleistet hätte. Von früh bis spät, man weiß nicht so genau warum, wurden die Gäste mit unterschiedlichsten musikalischen Richtungen beschallt, und begonnen wurde der Tag in der Regel mit abstrusen, sphärisch-meditativen Klängen. Weiteres Highlight der Pension war Butch, der Wachhund, bzw. das Wachkalb. Ein zweijähriger Doggenmischlingskoloss von über sechzig Kilogramm mit ausgeprägtem Spieltrip, großem Bedürfnis für zärtliche Zuwendungen und vermeintlich homosexueller Neigung. Denn ausschließlich männliche Gäste waren Ziel gelegentlicher Rammelattacken. Obwohl es die meiste Zeit geregnet hat, haben wir es doch noch geschafft ein kleines Gutwetterfenster zu nutzen, um einen Ausflug zu Wasserfällen in der Nähe des "Lago Todos los Santos" zu unternehmen, und uns wurde sogar ein fantastischer Blick auf einen der Vulkane gewährt. Die Landschaft war herrlich und hat förmlich dazu eingeladen einige Tage dem Trekking zu fröhnen, aber wir müssen weiter, denn unser heiß ersehnter nächster Programmpunkt heißt "Schiffspassage nach Puerto Natales", ins südliche Patagonien, in die Bucht der letzten Hoffnung. 


Puerto_Varas