30.11.2012

Namibia, 24.10 - 28.11

Zunächst einige Fakten über Namibia, die man nicht vorenthalten sollte: 1. In Windhuk gibt es einen Inlandsflughafen mit Namen Eros, 2. wenn Feiertage in Namibia auf einen Sonntag fallen, werden sie stets am darauffolgenden Montag wiederholt, 3. die Oppositionspartei nennt sich Demokratische Turnhallenallianz und 4. das Bier wird nach Deutschem Reinheitsgebot von 1516 gebraut. Außerdem ist Namibia ein dermaßen dünn besiedeltes Land (der Kontrast zu Indien hätte wirklich kaum größer sein können), dass man ohne weiteres an den dicken Punkten auf der Straßenkarte vorbeifährt, weil es sich nur um eine Tankstelle handelt, die da verloren in der Wildnis die Safarireisenden mit essentiellem Treibstoff versorgt. Im Gegensatz zu den meisten anderen konnten wir uns eine solche Unachtsamkeit auch leisten, weil unser kleiner Toyota im Vergleich zu den sonst üblichen Allradmietautomonstern so gut wie nichts verbraucht hat. Wir haben uns im Vorfeld erkundigt, ob die Straßen auch ohne Allrad zu bewältigen sind und obwohl generell für ganz Namibia Allrad "empfohlen" wird, ist es durchaus möglich. Man muss nur darauf achten, bei den kritischen Passagen (meist Sand und Wasser) genug Selbstsicherheit an den Tag zu legen, oder eben umzudrehen. Wir mussten auf über 5000 km nur zweimal das Handtuch werfen und einen kleinen Umweg in Kauf nehmen. Autofahren in Namibia ist sowieso nicht zu vergleichen mit dem lästigen, hektischen Geheize im deutschen Straßenverkehr, wo man auch noch alle Nase lang mit anderen Verkehrsteilnehmern rechnen muss. Hier gleitet man einsam auf den meist schnurgeraden, staubigen Pisten dahin, zieht eine kilometerweit sichtbare Staubfahne hinter sich her und hat das Gefühl, dass die Berge, auf die man schon seit einer halben Stunde zufährt, überhaupt nicht näher kommen. Und wenn man alle Stunde mal wieder einem anderen Auto begegnet, fragt man sich zuerst, was zur Hölle man dort draußen zu suchen haben kann, um dann stets freundlich zu grüßen. Die romantische Einsamkeit hat natürlich auch ihre Schattenseiten und wenn irgendwas schief läuft, gibt es kaum eine Alternative, als auf das nächste Auto zu warten (Handyempfang gibt's meist nur auf den höheren Berggipfeln). Und das kann dauern. Ein belgisches Ehepaar, dessen Weg wir kreuzten, hatte dabei ziemliches Glück und musste, nachdem sie sich mit ihrem riesigen Gefährt zweimal überschlagen hatten, weniger als zehn Minuten warten bis erst der Dorfarzt höchstpersönlich und dann wir an der Unglücksstelle aufkreuzten. Und zum Glück ging alles noch mal mehr als glimpflich aus, bis auf einen Schock, ein paar Kratzer und eine verlorene Fingerkuppe. Schweres Gerät für die Bergung eingeklemmter Schwerverletzter hatten wir ohnehin nicht dabei, und der Arzt mit aller Wahrscheinlichkeit auch nicht. Jedenfalls haben wir uns danach dem Motto "Augen auf im Niemandsland" verschrieben und sind noch einen Ticken gemütlicher durch die Wildnis geholpert. Eigentlich befindet man sich in Namibia, sobald man die Hauptstadt verlassen hat, immer irgendwie auf Safari und bekommt eine ganze Reihe mehr oder minder wilde Geschöpfe zu Gesicht, die meist bequem aus dem Auto heraus begutachtet werden können - und natürlich auch fotografiert, wie die kleine Auswahl an Tierbildern zeigt (wer Tiere eher ungut findet, sollte die ersten 35 Fotos vielleicht einfach überspringen). Übrigens, Paviane klettern unheimlich gern auf Autos herum, obwohl man schnell den Eindruck bekommt, dass sie selbst gar nicht so recht wissen warum. Noch viel lieber aber überfallen sie in den frühen Morgenstunden in großen Gruppen Campingplätze, um schlecht aufgeräumte Stellplätze zu plündern und einfach nur Terror zu verbreiten. Ein ganz fieses Exemplar hat nur aus Boshaftigkeit oder Frust - und wir waren wirklich direkt daneben - unsern Grill umgeschmissen und uns dabei direkt in die Augen gesehen. Nur wenig unaufdringlicher sind die geselligen Webervögel, die uns hin und wieder völlig angstfrei Teile des Frühstücks streitig machen wollten. Es gibt aber auch friedfertigere Geschöpfe wie Erdmännchen (nicht zu verwechseln mit den kleinen Zebramangusten, die - siehe Bild - im Schatten unseres Autos relaxten), und es gibt ein Suchbild mit einem prächtigen Exemplar und wer das entdeckt, wird sich darüber sehr amüsieren können (sofern Tiere, wie gesagt, nicht als generell ungut empfunden werden). Wenn nicht mehr genug Enthusiasmus für Tiere am Straßenrand aufgebracht werden kann (was sich ziemlich makaber anhört), gibt es in Namibia zahlreiche eher unbelebte Phänomene, auf die ausgewichen werden kann. Man kann sich auf den riesigen, rötlichen Dünen der Namib austoben und ganze Sandkästen mit ins Auto zurückbringen, eine gigantische Canyonlandschaft bestaunen, textillos in einem der eher seltenen Bergbäche in den Naukluftbergen schwimmen, in ziemlich deutsch anmutenden Kleinstädten Kässpätzle und Schnitzel futtern oder die Einsamkeit (die eigentlich allgegenwärtig ist) in den nördlichen Küstenbereichen samt berühmt berüchtigtem Skeleton Nationalpark auf die Spitze treiben, wo Walskelette, Schiffswracks und Nebelschwaden gleichermaßen versuchen eine bedrückend faszinierende Stimmung zu verbreiten. Dort gibt es zudem den überaus reizenden Ranger und Wächter des nordöstlichen Parkeingangs Naftalie, der uns umsonst für eine Nacht in einer löwensicheren Baracke einquartierte, weil zur Zeit ein einsames, männliches und vermutlich hungriges Exemplar im Grenzbereich des Parks herumschlich. Außerdem kennt Naftalie Löwengeschichten aus erster Hand, dass es einem kalt den Rücken runter läuft. Und er ist auch ein bisschen einsam da draußen. Durch den Besuch im Nationalpark waren wir zudem gezwungen, uns für eine Nacht etwas Luxus zu gönnen, weil es nur eine einzige Übernachtungsmöglichkeit und keinen Campingplatz gab. Und so tauschten wir ein einziges Mal unser kleines Zelt gegen ein richtiges Zimmer, die Tomaten-Thunfisch-Nudeln gegen ein Vier-Gänge-Menü und Quellwasser mit Mangosirup gegen einen südafrikanischen Rotwein. Das tolle an Namibia ist aber auch, dass man eigentlich gar nicht unbedingt in Nationalparks muss, um das Gefühl zu haben, im Nirgendwo gestrandet zu sein. Die meisten Farmen besitzen so große Flächen, dass man von der "Hauptstrasse" abgebogen erstmal 20 km auf einer halbspurigen, privaten Sandpiste fahren muss, um überhaupt fragen zu können, was das Campen denn so kostet. Und außerdem gibt es eigene Wanderwege, Berge, Täler, eine Landepiste und einen ganzen Haufen unterschiedlicher Wildtiere, die nebenbei bemerkt alle ziemlich lecker sind, egal ob Oryx, Kudu, Strauß oder Springbock. Und auf einer Farm gab es zudem Ziggi, das Bergzebra. Ziggi wuchs sozusagen mit dem Menschen auf, liebt deren Nähe (obwohl Streicheln tabu ist) und verfolgt Autos. Das wussten wir natürlich alles nicht und waren ziemlich erstaunt, als ein einsam in der Ferne grasendes Zebra schnurgerade und mit selbstbewusstem Tempo auf uns zu kam, nachdem es uns bemerkt hatte. Wir wurden dann aus aufdringlicher Nähe kritisch observiert, bis wir den Mut aufbrachten, das vermeintlich wilde Zebra zu streicheln. Wovon Ziggi wirklich nicht begeistert war. Danach ist es uns zur Farm gefolgt, versuchte das Tor zu öffnen und ist schließlich einfach durch die Haustür marschiert. Wir waren ziemlich beeindruckt und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, hat Ziggi scheinbar - wir haben das Trio leider nicht gesehen - zwei Schafsfreunde, die sich gewissermaßen als Ziggis Bodyguards verstehen und dem Zebra nicht von der Seite weichen, wenn es seine Runden dreht - vermutlich um ganz allgemein nach dem Rechten zu sehen und/oder Campinggäste zu schikanieren. Ach so, für alle Singlefrauen Mitte zwanzig. Auf eben dieser Ranch lebt außerdem einer der letzten echten Cowboys. Thomas spricht muttersprachlich Deutsch - war noch nie in Deutschland -, ist aber Namibier und wirklich ein sympathischer, attraktiver junger Mann. Und hat auf der Farm seiner Eltern, die vermutlich so groß ist wie die Schweiz, schlechte Karten auf andere Frauen zu treffen. Gebt uns Bescheid, falls ein Namibiaaufenthalt ansteht. Unser abschließendes Namibiaerlebnis war gleichzeitig auch das am wenigsten tolle. Wir wollten die größte Höhle Namibias besuchen, und darauf kann man wirklich getrost verzichten, es sei denn man ist vielleicht Fledermausforscher oder Guanohändler. Es ist unglaublich stickig, die Funzeln vom wenig vertrauenserweckenden Expeditionsleiter in Adiletten reichen gerade so bis auf den Boden und als wir in die Nähe der Fledermauskolonien kamen (immerhin leben hier fünf verschiedene Arten) wurde uns klar, dass wir auf einer dicken Schicht von Kot und toten Fledermäuse liefen und sind fast umgefallen vor Gestank. Was bei einem Drittel der Teilnehmer auch zu einer Verstärkung des bereits vorhandenen klaustrophobischen Anfalls geführt hat. Stalaktiten oder -miten haben wir auch keine gesehen.




Namibia