30.11.2012

Namibia, 24.10 - 28.11

Zunächst einige Fakten über Namibia, die man nicht vorenthalten sollte: 1. In Windhuk gibt es einen Inlandsflughafen mit Namen Eros, 2. wenn Feiertage in Namibia auf einen Sonntag fallen, werden sie stets am darauffolgenden Montag wiederholt, 3. die Oppositionspartei nennt sich Demokratische Turnhallenallianz und 4. das Bier wird nach Deutschem Reinheitsgebot von 1516 gebraut. Außerdem ist Namibia ein dermaßen dünn besiedeltes Land (der Kontrast zu Indien hätte wirklich kaum größer sein können), dass man ohne weiteres an den dicken Punkten auf der Straßenkarte vorbeifährt, weil es sich nur um eine Tankstelle handelt, die da verloren in der Wildnis die Safarireisenden mit essentiellem Treibstoff versorgt. Im Gegensatz zu den meisten anderen konnten wir uns eine solche Unachtsamkeit auch leisten, weil unser kleiner Toyota im Vergleich zu den sonst üblichen Allradmietautomonstern so gut wie nichts verbraucht hat. Wir haben uns im Vorfeld erkundigt, ob die Straßen auch ohne Allrad zu bewältigen sind und obwohl generell für ganz Namibia Allrad "empfohlen" wird, ist es durchaus möglich. Man muss nur darauf achten, bei den kritischen Passagen (meist Sand und Wasser) genug Selbstsicherheit an den Tag zu legen, oder eben umzudrehen. Wir mussten auf über 5000 km nur zweimal das Handtuch werfen und einen kleinen Umweg in Kauf nehmen. Autofahren in Namibia ist sowieso nicht zu vergleichen mit dem lästigen, hektischen Geheize im deutschen Straßenverkehr, wo man auch noch alle Nase lang mit anderen Verkehrsteilnehmern rechnen muss. Hier gleitet man einsam auf den meist schnurgeraden, staubigen Pisten dahin, zieht eine kilometerweit sichtbare Staubfahne hinter sich her und hat das Gefühl, dass die Berge, auf die man schon seit einer halben Stunde zufährt, überhaupt nicht näher kommen. Und wenn man alle Stunde mal wieder einem anderen Auto begegnet, fragt man sich zuerst, was zur Hölle man dort draußen zu suchen haben kann, um dann stets freundlich zu grüßen. Die romantische Einsamkeit hat natürlich auch ihre Schattenseiten und wenn irgendwas schief läuft, gibt es kaum eine Alternative, als auf das nächste Auto zu warten (Handyempfang gibt's meist nur auf den höheren Berggipfeln). Und das kann dauern. Ein belgisches Ehepaar, dessen Weg wir kreuzten, hatte dabei ziemliches Glück und musste, nachdem sie sich mit ihrem riesigen Gefährt zweimal überschlagen hatten, weniger als zehn Minuten warten bis erst der Dorfarzt höchstpersönlich und dann wir an der Unglücksstelle aufkreuzten. Und zum Glück ging alles noch mal mehr als glimpflich aus, bis auf einen Schock, ein paar Kratzer und eine verlorene Fingerkuppe. Schweres Gerät für die Bergung eingeklemmter Schwerverletzter hatten wir ohnehin nicht dabei, und der Arzt mit aller Wahrscheinlichkeit auch nicht. Jedenfalls haben wir uns danach dem Motto "Augen auf im Niemandsland" verschrieben und sind noch einen Ticken gemütlicher durch die Wildnis geholpert. Eigentlich befindet man sich in Namibia, sobald man die Hauptstadt verlassen hat, immer irgendwie auf Safari und bekommt eine ganze Reihe mehr oder minder wilde Geschöpfe zu Gesicht, die meist bequem aus dem Auto heraus begutachtet werden können - und natürlich auch fotografiert, wie die kleine Auswahl an Tierbildern zeigt (wer Tiere eher ungut findet, sollte die ersten 35 Fotos vielleicht einfach überspringen). Übrigens, Paviane klettern unheimlich gern auf Autos herum, obwohl man schnell den Eindruck bekommt, dass sie selbst gar nicht so recht wissen warum. Noch viel lieber aber überfallen sie in den frühen Morgenstunden in großen Gruppen Campingplätze, um schlecht aufgeräumte Stellplätze zu plündern und einfach nur Terror zu verbreiten. Ein ganz fieses Exemplar hat nur aus Boshaftigkeit oder Frust - und wir waren wirklich direkt daneben - unsern Grill umgeschmissen und uns dabei direkt in die Augen gesehen. Nur wenig unaufdringlicher sind die geselligen Webervögel, die uns hin und wieder völlig angstfrei Teile des Frühstücks streitig machen wollten. Es gibt aber auch friedfertigere Geschöpfe wie Erdmännchen (nicht zu verwechseln mit den kleinen Zebramangusten, die - siehe Bild - im Schatten unseres Autos relaxten), und es gibt ein Suchbild mit einem prächtigen Exemplar und wer das entdeckt, wird sich darüber sehr amüsieren können (sofern Tiere, wie gesagt, nicht als generell ungut empfunden werden). Wenn nicht mehr genug Enthusiasmus für Tiere am Straßenrand aufgebracht werden kann (was sich ziemlich makaber anhört), gibt es in Namibia zahlreiche eher unbelebte Phänomene, auf die ausgewichen werden kann. Man kann sich auf den riesigen, rötlichen Dünen der Namib austoben und ganze Sandkästen mit ins Auto zurückbringen, eine gigantische Canyonlandschaft bestaunen, textillos in einem der eher seltenen Bergbäche in den Naukluftbergen schwimmen, in ziemlich deutsch anmutenden Kleinstädten Kässpätzle und Schnitzel futtern oder die Einsamkeit (die eigentlich allgegenwärtig ist) in den nördlichen Küstenbereichen samt berühmt berüchtigtem Skeleton Nationalpark auf die Spitze treiben, wo Walskelette, Schiffswracks und Nebelschwaden gleichermaßen versuchen eine bedrückend faszinierende Stimmung zu verbreiten. Dort gibt es zudem den überaus reizenden Ranger und Wächter des nordöstlichen Parkeingangs Naftalie, der uns umsonst für eine Nacht in einer löwensicheren Baracke einquartierte, weil zur Zeit ein einsames, männliches und vermutlich hungriges Exemplar im Grenzbereich des Parks herumschlich. Außerdem kennt Naftalie Löwengeschichten aus erster Hand, dass es einem kalt den Rücken runter läuft. Und er ist auch ein bisschen einsam da draußen. Durch den Besuch im Nationalpark waren wir zudem gezwungen, uns für eine Nacht etwas Luxus zu gönnen, weil es nur eine einzige Übernachtungsmöglichkeit und keinen Campingplatz gab. Und so tauschten wir ein einziges Mal unser kleines Zelt gegen ein richtiges Zimmer, die Tomaten-Thunfisch-Nudeln gegen ein Vier-Gänge-Menü und Quellwasser mit Mangosirup gegen einen südafrikanischen Rotwein. Das tolle an Namibia ist aber auch, dass man eigentlich gar nicht unbedingt in Nationalparks muss, um das Gefühl zu haben, im Nirgendwo gestrandet zu sein. Die meisten Farmen besitzen so große Flächen, dass man von der "Hauptstrasse" abgebogen erstmal 20 km auf einer halbspurigen, privaten Sandpiste fahren muss, um überhaupt fragen zu können, was das Campen denn so kostet. Und außerdem gibt es eigene Wanderwege, Berge, Täler, eine Landepiste und einen ganzen Haufen unterschiedlicher Wildtiere, die nebenbei bemerkt alle ziemlich lecker sind, egal ob Oryx, Kudu, Strauß oder Springbock. Und auf einer Farm gab es zudem Ziggi, das Bergzebra. Ziggi wuchs sozusagen mit dem Menschen auf, liebt deren Nähe (obwohl Streicheln tabu ist) und verfolgt Autos. Das wussten wir natürlich alles nicht und waren ziemlich erstaunt, als ein einsam in der Ferne grasendes Zebra schnurgerade und mit selbstbewusstem Tempo auf uns zu kam, nachdem es uns bemerkt hatte. Wir wurden dann aus aufdringlicher Nähe kritisch observiert, bis wir den Mut aufbrachten, das vermeintlich wilde Zebra zu streicheln. Wovon Ziggi wirklich nicht begeistert war. Danach ist es uns zur Farm gefolgt, versuchte das Tor zu öffnen und ist schließlich einfach durch die Haustür marschiert. Wir waren ziemlich beeindruckt und um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen, hat Ziggi scheinbar - wir haben das Trio leider nicht gesehen - zwei Schafsfreunde, die sich gewissermaßen als Ziggis Bodyguards verstehen und dem Zebra nicht von der Seite weichen, wenn es seine Runden dreht - vermutlich um ganz allgemein nach dem Rechten zu sehen und/oder Campinggäste zu schikanieren. Ach so, für alle Singlefrauen Mitte zwanzig. Auf eben dieser Ranch lebt außerdem einer der letzten echten Cowboys. Thomas spricht muttersprachlich Deutsch - war noch nie in Deutschland -, ist aber Namibier und wirklich ein sympathischer, attraktiver junger Mann. Und hat auf der Farm seiner Eltern, die vermutlich so groß ist wie die Schweiz, schlechte Karten auf andere Frauen zu treffen. Gebt uns Bescheid, falls ein Namibiaaufenthalt ansteht. Unser abschließendes Namibiaerlebnis war gleichzeitig auch das am wenigsten tolle. Wir wollten die größte Höhle Namibias besuchen, und darauf kann man wirklich getrost verzichten, es sei denn man ist vielleicht Fledermausforscher oder Guanohändler. Es ist unglaublich stickig, die Funzeln vom wenig vertrauenserweckenden Expeditionsleiter in Adiletten reichen gerade so bis auf den Boden und als wir in die Nähe der Fledermauskolonien kamen (immerhin leben hier fünf verschiedene Arten) wurde uns klar, dass wir auf einer dicken Schicht von Kot und toten Fledermäuse liefen und sind fast umgefallen vor Gestank. Was bei einem Drittel der Teilnehmer auch zu einer Verstärkung des bereits vorhandenen klaustrophobischen Anfalls geführt hat. Stalaktiten oder -miten haben wir auch keine gesehen.




Namibia

25.10.2012

Goa, 12. - 24.10

Obwohl Goa teils erheblich vom eigentlichen Indienbild abweicht, darf man nicht vergessen, wo man sich befindet. Vor allem darf man sich nicht dem Irrglauben hingeben, dass frische Salate und Fleisch, nur weil sie in schicken Restaurants zubereitet wurden, während ihrer Zubereitung plötzlich penibelste Hygienestandards genossen hätten. Wir sind darauf reingefallen und mussten mehrere Tage im schattigen Zimmer bzw. vornehmlich in dessen Bad verbringen. Zum Glück hat uns die Inkubationszeit aber noch ausreichend Zeit gelassen, einiges des kleinsten indischen Bundesstaats zu erkunden. Die ersten Tage verbrachten wir im ruhigeren Süden, mussten aber weiterziehen, weil wir von Rias, einem nervigen Kashmirihändler, gestalkt wurden. Es verging bald keine Mahlzeit mehr, an der er nicht mehr oder weniger zufällig mit uns am Tisch saß. Außerdem hat er, zuvorkommend wie er war, unsere Tage durchgeplant, in seinem Laden gekocht und uns einen kaputten Roller vermietet. Vor allem aber, hat er uns tierisch genervt. Ach so, falls jemand vor hat, Wanderungen im Himalaya zu machen, Hochgebirgstouren sind Rias' zweites Standbein. Aber er nimmt nicht mehr als 30 Leute auf einmal mit. Das wäre unverantwortlich. Wir mussten weiter. Die stark kolonial geprägte Hauptstadt Panaji oder Panjim ist mit Abstand die schönste größere indische Stadt, die wir zu Gesicht bekamen, und bietet zudem die Möglichkeit außergewöhnlicher, abendlicher Schiffsrundfahrten. Eigentlich dachten wir, wir würden in ruhiger, romantischer Stimmung dem Arabischen Meer samt untergehender Sonne entgegenschippern und verträumt an der Reling stehen. Aber es kam alles ganz anders, wie so oft in Indien. Eigentlich handelte es sich nämlich um ein Großraumdiskoschiff auf dem, animiert von DJ und MC, abwechselnd Kinder, Verheiratete, weibliche Singles, männliche Singles und kostümierte, vermutlich unterbezahlte Folklorematrosen zu völlig übertrieben lauter Musik das trittsichere indische Tanzbein schwangen. Am beeindruckendsten, weil sehr exstatisch und kraftvoll vorgetragen, war der Tanz der männlichen Singles, die die Bühne gar nicht mehr räumen wollten. Verwaiste Tanzflächen bei indischen Schullandheimen - sofern so was existiert - sind wohl eher unüblich, und die ersten jungen Tänzer mit Sicherheit männlich. Obwohl wir das Schiff am Ende mit einem leichten, mehrere Stunden anhaltenden Pfeifgeräusch in den Ohren verließen, können wir den Trip wärmstens empfehlen. Wirklich witzig. Wir sind dann weiter, zur immer größer werdenden Konzentration ausländischer Goatouristen in Richtung Küste. Die meisten dort sind übrigens keine Hippies, die in ihren Batikshirts und auf Acid am Strand tanzen, um angestrengt die Welt zu einer besseren zu machen, sondern langweilige Pärchen, die, nachdem sie sich ausreichend im Restaurant angeschwiegen haben, um spätestens 22:15 in der Falle liegen. So wie wir also. Richtige Hippies sieht man nur noch in Form von Veteranen mit verwaschenen Tattoos und vollen Einkaufstüten des überteuerten, westlichen Kapitalistensupermarkts. Auch in Goa ist das Transportmittel der Wahl der Roller und es macht riesig Spaß, damit übers Land zu brausen. Je weiter man Richtung Norden fährt, desto mehr legt sich das Getümmel wieder und man kann sich vorstellen, wie schön es vor einem halben Jahrhundert vermutlich überall aussah. Außerdem gibt es einen Strand, wo sich nur ein einziger Ochse und ein offensichtlich unterforderter Rettungsschwimmer aufhalten. Kurz nachdem wir ankamen, lief er selbstsicher am Strand hin und her, um uns vermutlich zu signalisieren, dass wir ohne Angst ins Wasser springen konnten. Hätten wir vermutlich auch getan, wenn sich nicht die ersten Anzeichen einer hartnäckigen Magenverstimmung bemerkbar gemacht hätten und wir schleunigst den Roller satteln mussten. An mehrerern intensiver erschlossenen Stränden, Rettungsschwimmer gab's auch dort, wurde gerade ein Bollywoodfilm über Goa gedreht. Und weil zu Goa natürlich ein ganzer Haufen "Weißbrote" gehört, wurde - neben ein paar Quotenrastalocken - gleich eine ganze russische Chartermaschine verpflichtet, damit sich genug billige Statisten im Hintergrund räckelten, während die Hauptdarsteller das machten, was sie in indischen Filmen immer machen: singen und tanzen. Die Zugfahrt nach Mumbai war absolut genial, weil wir mit viel Glück ein ganzes kleines Abteil für uns allein hatten und uns von den zuvorkommenden Essenshändlern, die gefühlt alle zwei Minuten mit neuen Leckereien durch die Wagons streifen, königlich verkosten lassen konnten. Über Mumbai gibt es so gut wie nichts zu erzählen, weil wir hauptsächlich in einem der vielen überteuerten Hotels in Flughafennähe dösend auf die Abreise in der kommenden Nacht warteten. Ein kleiner Spaziergang hat - neben zahlreichen toten Ratten und viel Lärm - aber gezeigt, dass Internetcafes schon morgens um zehn für die nächsten sechs Stunden ausgebucht sein können, weil erstaunlich viele Leute online Autorennen spielen wollen.




Goa

15.10.2012

Von Chennai nach Goa, 28.09 - 12.10

Zurück von den Andamanan musste erst eine kleine Grippe überstandenen werden - natürlich nicht, ohne sich psychologisch ausreichend mit Malaria zu beschäftigen -, bevor wir nach Richtung Ooty, einer früheren "hillstation" überhitzter englischer Kolonialisten, in den bergig kühlen Westghats aufbrechen konnten. Eigentlich war die fieberbedingte Verzögerung auch essentiell für die erwartungsgemäß uneinfache Zugticketbeschaffung, weil Stromausfälle, Serverprobleme und ausgebuchte Züge den eigentlichen Abreisetermin ohnehin um mehrere Tage hinauszögerten. Das letzte Stück bis hinauf zum südindischen Bergidyll, kann man mit einer alten Schmalspureisenbahn samt UNESCO-Weltkulurerbe-Status zurücklegen. Und obwohl wir trotz, wie anders zu erwarten, ausgebuchtem Zug zwei Minuten vor Abfahrt die Erlaubnis vom "station master" bekamen, mitfahren zu dürfen, hat uns die Aussicht auf mehr als fünf Stunden in den heftigst überfüllten Wagons dann doch zu sehr abgeschreckt. Vor allem gab es keinerlei Möglichkeit zur Verrichtung großer sowie kleiner Notdurft, was wohl das Zünglein auf der Waage war. Julian Assange hat das alles weniger gekümmert, aber er hatte aber auch ein 1. Klasse-Ticket. Außer sich abkühlen und zu Fernsehpferderennen (direkt neben der eigentlichen Rennbahn...???) gehen, kann man in Ooty eigentlich gar nicht so viel machen. Jedenfalls hatten wir den Eindruck. Und nach zwei recht unterkühlten Nächten, die seit langer Zeit mal wieder unter richtigen Decken verbracht werden mussten - manche Reiseteilnehmer haben trotzdem bitterlich gefroren -, sind wir wieder in mildere Gefilde abgestiegen. Nur dank der auskunftsfreudigen Hilfe Einheimischer Busreisender, kamen wir nach der Kombination Rickscha-Bus-Bus-Jeep in Bokapuram an, einem kleinen Örtchen direkt an der Grenze zum Mudumalai Nationalpark, wo sich Tiger, Bären, Elefanten und ein ganzer Haufen weiteres Getier in den Wäldern tummeln. Obwohl der Park wegen einer obligatorischen Tigerzählung geschlossen war, konnten wir, nachdem wir vor Sonnenaufgang von unserem kleinen Baumhaus gestiegen waren, mit zwei äußerst kompetenten Fährtenlesern/Tierstimmenimmitatoren die auch schon ziemlich wilden Randbereiche erkunden. Schon während der ersten hundert Meter hörten wir sogar das gruslig dumpfe brüllen eines Tigers, was bei unseren Führern freudige Jagdinstinkte, bei uns eher das Gefühl weckte, sich wieder auf das Baumhaus zurückzuziehen. Jedenfalls versuchten wir tapfer der Großkatze auf der Spur zu bleiben - schließlich waren wir ja auch mehr als ausreichend mit Wanderstöckchen bewaffnet -, waren dann aber doch ganz froh darüber, eine Begegnung mit unserem wenig geschmeidigem Gepolter durchs Unterholz vereitelt zu haben. Von den vielen Elefanten im Park haben wir zunächst nur deren Hinterlassenschaften unterschiedlichen Feuchtegrades gesehen, und gerochen. Aber wir mussten staunen, weil der Elefantentrampelpfad eher einem Klettersteig als einem barrierefreien Wanderweg ähnelte, und die Riesen scheinbar doch sehr viel gelenker sind, als sie es sonst zugeben wollen. Jedenfalls konnten die riesigen Haufen von keiner noch so großen Bergziege stammen, ganz zu schweigen von den winzigen, schwarzgesichtigen Äffchen, die unseren Ausflug mit ihren Warnrufen akustisch untermalten. Unser Hotelchef hatte dann noch einen ganz besonderen Wildlife-Tip für uns: ein Besuch zuhause bei Mark, alias "Mad Mark". Mad Mark lebt relativ einsam und verlassen in der Wildnis des Gudalur Tals, wird aber von Zeit zu Zeit von neugierigen Reisenden besucht, und eigentlich jeden Tag von Rivaldo. Rivaldo ist ein stattlicher, wilder Elefantenbulle, der - wie zahlreiche andere Tiere - gerne mal bei Mad Mark vorbeischaut. Mark sitzt in der Regel entspannt rauchend und mit unnatürlich roten Augen auf seiner Veranda und muss Rivaldo hin und wieder mit einem lächerlich dünnen Stöckchen davon abhalten, sich an Auto oder Dach zu vergehen. Währenddessen spielen sich im Hintergrund kitschigste Wildtierszenen ab (besonders hervorzuheben dabei der Pfau samt Hirsch) und auch ein bei dem Trubel eher wenig beachtetes Wildschwein streift umher. Nach zwei Nächten im Safariland mussten wir schon weiterziehen. Zum einen, weil man ein Baumhaus nicht hinterher geschmissen bekommt, auch nicht in Indien, zum anderen, weil eine westliche Yogagruppe aufkreuzte, um sich von den - für unseren Geschmack etwas zu beleibten - indischen Yogis der Erleuchtung einen Schritt näher zu bringen. Es begann eine sich mehrmals wiederholende Schleife aus Transport, Essen und Schlafen in indischen Städte, die sich wie ein Ei dem anderen glichen und deren Namen wir bereits beim Auschecken aus den charakterlosen Unterkünften vergessen hatten. Und es gibt über diese eher unschön anstrengende Periode nicht viel zu berichten, außer dass Kerala mit der Kombination Kommunismus, Großgrundbesitz, Religionsfreiheit und Rindfleischverzehr gut auszukommen scheint, Rickschafahrer in Karnataka in der Lage sind, ihre Rickschameter zu benutzen, ohne mit einer Waffe bedroht werden zu müssen, und dass Zugfahren, sofern man in der billigsten Klasse fährt - was die nervige Reservierungsbürokratie umgeht - und keine Scheu vor intensiven körperlichen und sozialen Kontakten besitzt, wirklich das Reisemittel erster Wahl ist. Vor allem sehr schonend für den Rücken, und man lernt äußerst liebenswerte einheimische Mitreisende kennen. Eine sich verblüffend schnell bildende, hartnäckige und für Indien scheinbar tyische Reiseschmutzschicht auf der Haut kann man trotzdem nicht vermeiden. Zuletzt noch drei Bemerkungen: 1. Das schlechteste Bier der Welt heißt Köt, 2. weiße Reitpferde sind besser bezhalt als der Rest (was diese aber nicht davon abhält, ihre "Reiter" während der kurzen "Ausritts" auf der Hauptstraße abzuwerfen) und 3. dank eines Friseurbesuchs in Coimbatore seh ich jetzt aus wie Jeanne d'Arc mit Hornbrille. Ach so, dass erste Bild zeigt Dosa. Isst man morgens und abends, und ist einfach, aber ziemlich lecker.




Von_Chennai_nach_Goa

03.10.2012

Little Andaman, 18. - 28.09

Um noch ein wenig weiter in die entlegene Inselwelt vorzustoßen, sind wir im Anschluss an einen kurzen Aufenthalt in Port Blair, samt beeindruckendem anthropologischem Museumsbesuch (vor allem mit zwei angehenden Ethnologen, die wir kaum noch aus dem Gebäude bekamen), einer gewohnt umständlichen Ticketbeschaffung für die Fähre am nächsten Tag, die eigentlich hoffnunglos ausgebucht war und einer zeitraubenden Flugumbuchung (ein Bild zeigt zwei von mindestens drei Air India Mitarbeitern, die ein komplettes A4-Blatt vollkritzelten, um uns den neuen Tarif von Hand zu berechnen, die Ergebnisse waren erwartungsgemäß verschieden), nach Little Andaman aufgebrochen, die abgeschiedenste Insel, die für Touristen zugänglich ist. Nach einer demenstsprechend noch längeren Fährfart - gekotzt wurde ebenfalls ausgiebiger -, kamen wir nicht nur als einzige Touristen dort an, sondern waren auch die einzigen während der ganzen sieben Tage. Und so klein ist die Insel eigentlich gar nicht. Am Pier haben wir uns gleich mal von einem ganz billigen Trick linken lassen. Der Taxifahrer hat uns eine Hochglanzvisitenkarte von einem absoluten Traumressort gezeigt, weshalb wir an potenziellen Übernachtungsmöglichkeiten auf dem Weg ziemlich hochnäsig vorbeiheizt sind. Jinas Ressort hat sich dann als Ansammlung winziger Bambushütten innerhalb zahlreicher Kuhfladen mit Gemeinschaftsbad entpuppt, und als wir dort im strömenden Regen ankamen, konnten wir nicht verhindern - vor allem nach einigen hartnäckigen Regentagen im Vorfeld -, dass sich ein kleines Stimmungstief breitmachen konnte. Aber die Lage war eigentlich fantastisch, sobald man die kaum frequentierte Straße überquert hatte, und die Kuhfladen wurden schnell beseitigt. Irgendwie hatte niemand so recht mit Besuch zur Regenzeit gerechnet. Außerdem war Jina ein wirklich begnadeter Gastgeber und guter, wenn auch ein wenig zu stressfreier Koch (man konnte ihn in der Regel gut drei Stunden bei der Zubereitung beobachten), der uns einzig und allein mit seiner selbstbewusst vorgetragenen und zoologisch unrichtigen Prognose enttäuschte, dass Riesenschildkröten jede Nacht zur Geisterstunde den Strand besuchen würden. Wir sind deswegen in wirklich mondlos stockdunkler, dafür aber prächtig besternter Inselnacht über den Strand geirrt - das Wort Lichtverschmutzung ist hier sicher wenig verbreitet bis unbekannt -, um vergeblich Ausschau nach den trägen Geschöpfen zu halten. Schildkröten lassen sich, nach einstimmiger Aussage verschiedener Quellen, die wir im Nachhinein befragten, nur im Dezember zur Eiablage blicken. Unsere schnell ans Herz gewachsene Hundegang, alle mit der ein oder anderen physischen oder psychischen Behinderung (Hund in Indien zu sein, ist sicher kein Hauptgewinn), ist uns trotz des irrtümlichen Ausflugs nicht von der Seite gewichen und hat uns tapfer in der Wildnis beschützt - wobei die vermutlich größte Gefahr von einem außergwöhnlich gigantischen Einsiedlerkrebs ausging, der gar nicht mehr in seine Hütte gepasst hat. Die Tage haben wir, wenn es nicht zu sehr regnete, in der Regel mit verschiedenen Rollerinselerkundungen zugebracht, was wirklich eine Menge Spass macht, und selbst wenn man einfach drauflos fährt und die Leute fragt (Reiseführer können ohnehin getrost zuhause bleiben), kann man allerhand erleben; z.B. durch Palmölplantagen fahren, wo Elefanten keine Taxis oder arbeitslos sind (wie häufig in Thailand), sondern ihren Lebensunterhalt noch mit hartem Tagwerk verdienen müssen, sich beim Angeln von der Brücke von gelb-grünen, und wie wir später erfahren haben, giftigen Schlangen erschrecken lassen - Marie hat ein richtiges Gespür für Schlangen entwickelt und befindet sich meist direkt davor, wenn sie auftauchen -, oder in der Dämmerung Krokodile beobachten, die geschmeidig und scheinbar bewegungslos jagend durchs Wasser gleiten. Die Inselbewohner, ob Tamile, Bengale oder Nikobarese sind übrigens extrem freundliche Leutchen. Keiner will einem, wie andernorts in Indien, irgendwas verkaufen, nur weil man anders ausssieht, sondern die meisten sind einfach nur froh und neugierig, wenn alle Jubeljahre mal ein paar Fremde auf der Insel aufkreuzen. Laut Aussage von Murthu, Surfgott, Fischer und Alkoholiker, der in einer Tsunamisiedlung wohnt, liegt das maßgeblich daran, dass die Bevölkerung der Andamanen nicht von außländischen Hippies beeinflusst wurde, weil weit ab vom eigentlichen Hippietrail. Wir wissen's zwar auch nicht, aber vielleicht ist ja was dran. Außerdem sind wir auch gleich von einem Seefahrer zu jeder nur denkbaren, täglichen Nahrungsaufnahme eingeladen worden und haben dann eine gemütliche Chaizeremonie bei ihm zuhause abgehalten, allerhand über die Aufstiegsmöglichkeiten eines Ersten Maats erfahren und Debu dann wegen eines "rain problems" ziemlich rasant zu einem lauschigen Stausee hinterhergeheizt. Selbst auf ziemlich einsamen Inseln mit nur selten auftretendem zähfließenden Verkehr muss der linke Daumen übrigens stets auf der Hupe ruhen, und obwohl die meisten Fahrzeuge einen Blinker besitzen, schickt es sich, eine Fahrtrichtungsänderung mit einem "handsignal" anzukündigen. Zurück in Port Blair machten wir dann noch zwei Beobachtungen, die wir nicht verschweigen sollten: 1. Nikobaresisches Essen wird international überschätzt, und schmeckt trotz der fantastischen Farben reichlich fad, auch wenn die herzlichen Verkäuferinnen allerhand wegmachen können, und 2. es ist physikalisch möglich, zu viert samt komplettem Reisegepäck in einer Rickscha zu fahren, und man will 30 Cent natürlich sparen, wo immer man kann.




Little_Andaman

01.10.2012

Havelock, 11. - 18.09

Wenn man sich die Landkarte anschaut, kann man eigentlich gar nicht glauben, dass die Andamanen und Nikobaren überhaupt zu Indien gehören. So isoliert vom Festland liegt die Inselkette im Golf von Bengalen. Trotzdem waren wir leicht zu überzeugen, einen zusätzlichen Flug auf uns zu nehmen (sprich zu zahlen), um dem vermeintlichen Paradies einen kleinen Besuch abzustatten - auch wenn wir deswegen den indischen Subkontinent schon wieder verlassen mussten. Leider hat uns das Wetter zunächst ein wenig in die Suppe gespuckt, weil heftige, aber für die Regenzeit (wir sind mittlerweile wirklich konsequente Nebensaisontouristen) typisch heftige Niederschläge den unglücklicherweise in einer Senke gebauten Flughafen des Inselidylls überflutet hatten. Und nach einem Frühstück an Bord des stehenden Flugzeug, wurde der Flug gestrichen und wir übermüdet in einem unerwartet schicken Businesshotel in Chennai einquartiert, wo wir uns auf Kosten Air Indias den Wanst vollschlagen und faulenzen konnten (das Mittagessen wurde leider kollektiv verpennt, und beim persönlichen Zimmerservice hatte die Kulanz der Fluggesellschaft dann doch ein Ende). Die eintägige Verzögerung hat uns noch einen Besuch im modernsten Einkaufszentrum Chennais ermöglicht, wo man, neben den üblichen Zertreuungen, eine Menge Spaß im "Fun Land" haben kann, weil sich adrenalinsüchtige Inder in völlig hirnrissige Fahrgeschäfte begeben, die vermutlich schon mehr ernsthafte Verletzungen als echten Spaß bei den Gästen verursacht haben. Unser zweiter Anlauf war dann zum Glück erfolgreicher, und nachdem wir auf dem Flughafen angekommen diverse Formulare ausgefüllt hatten, wurde uns unsere "Permit" überreicht und wir offiziell auf die Inseln losgelassen, zumindest auf bestimmte Teile, zu bestimmten Zeiten und unter bestimmten Auflagen (Korallen abbrechen geht zum Beispiel gar nicht, genauso wenig wie indigene Volksgruppen in ihren Reservaten besuchen). Nachdem wir den nicht minder bürokratischen Prozess des Fährticketkaufs (es muss erst ein Antrag gestellt werden, samt einer Menge persönlicher Daten aller Reisenden und unterschiedlichsten Kopien, um dann in einer Schlange mit aufgedrehten jungen Männern vor dem Schalter zu warten, die nur durch die Bambusschlagstöckchen der Polizisten zu bändigen sind; Inder sind wirklich extrem freundliche, friedfertige Menschen - kein Vergleich zu uns deutschen Hau-Drauf-Halodris -, aber Anstehen funktioniert nicht; zum Glück gibt es extra Warteschlangen für Frauen) und die folgende Schifffahrt überstanden hatten (die Plastiksitze waren bequemer als sie aussehen und anstatt in Kotztüten kann man sich direkt in Eimer, die im Gang stehen übergeben), kamen wir auf der für andamanische Verhältnisse schon fast touristisch überlaufenen Insel Havelock an. Hier konnten wir uns an einer ausgedehnten und wie manche Expeditionsteilnehmer meinten, ziemlich fahrlässigen Barfussurwaldwanderung erfreuen, die uns zwar nicht zum eigentlich Ziel, dem Elephant Beach führte, dafür aber immer tiefer in den immer grusligeren Wald. Auf den Andamanen lauern nämlich ganze Heerscharen fieser Schlangen, Spinnen und Krokodile, die einem, wo es nur geht, nach dem Leben trachten. Wir haben den Ausflug, wenn auch etwas dehydriert und unterzuckert (wir waren eher schlecht ausgerüstet), gut überstanden und der dichte, undurchdringliche Wald hat uns ziemlich beeindruckt, obwohl wir eigentlich Schnorcheln wollten. Aber wir konnten direkt an unserm phänomenalen Hausstrand ein wenig unter die Wasseroberfläche schauen - meist waren da aber nur gigantische Seegurken zu bewundern -, und haben einen Kayakausflug zu einem wohl nicht mehr so ganz funktionstüchtigen Leuchtturm gemacht, um ein wenig mehr von der Unterwasserlebewelt mitzukriegen. Wobei uns da ein wenig mulmig im Magen wurde, weil vor ein paar Jahren ganz in der Nähe ein Amerikaner von einem Krokodil verspeist wurde. Seine Wäsche während der Regenzeit "professionell" auf der Insel waschen zu lassen ist übrigens rausgeschmissenes Geld. Trockner gibt es nicht - wir vermuten das gleiche für Waschmaschinen (obwohl Schilder anderes prophezeien) - und man bekommt seine Wäsche mit den Worten "rain problem" nass, zudem zudem heftiger als zuvor stinkend und nur zum Großteil wieder zurück. Das letzte Bild im Album zeigt die berufsbekleideten Rikschafahrer, wie sie gierig auf die wenigen Touristen warten, die mit der Fähre ankommen. Man muss bei der Ankunft höllisch aufpassen, sonst sitzt man ohne irgendwas zu merken im nächstbesten, dreirädrig knatternden Gefährt.




Havelock

19.09.2012

Tamil Nadu, 27.08 - 11.09

Die Ankündigungen von Informanten vor Ort waren nicht gelogen. Zu essen gibt es in Indien - oder zumindest im südlichen Tamil Nadu - entweder Brot oder Reis, mit Dip. Und obwohl alles ganz wahnsinnig exotisch klingt, landet man nach einer oft mühsamen Bestellung (die Verfügbarkeit der Gerichte richtet sich nach einem zunächst undurchschaubaren zeitlichen Rhythmus) eigentlich immer bei diesem Resultat. Sogar in nordindischen Restaurants. Nicht das wir uns beschweren wollten und es schmeckt uns ja sehr gut, aber es wird so viel Wind gemacht um die kulinarischen Höhenflüge Indiens, dass wir uns schon ein wenig wundern mussten. Nach einer zugegebenermaßen erstmal schockierenden Ankunft in der selbst für Indien eher unschönen und charakterlosen Stadt Chennai, fanden wir nur dank eines vorbildlich engagierten Taxifahrers unser Nachtlager. Die Suche wird in Indien häufig durch Änderungen der Straßen- und/oder Ortsnamen erschwert, die mutmaßlich dazu dienen, etwas vom kolonialen Erbe abzustreifen. Da selbst notorisch schönfärbende Reiseführer nicht viel gutes über die Stadt zu berichten hatten, sind wir gleich am nächsten Tag zum "Busbahnhof" (der eher aussieht, wie ziemlich viele Busse auf einer großen nicht asphaltierten, freien Fläche), um nach Pondycherry oder aktueller Puducherry (oder anderes herum) aufzubrechen. Auch dort ist es ziemlich dreckig - woran man sich in Indien natürlich früher oder später gewöhnen muss -, aber nicht ganz so krass, es gibt einen "Stadtstrand" aus großen Steinen und variierenden Anteilen von Müll und Kakerlaken, sowie einige Franzosen, die sich hier zwecks kolonialer Machenschaften Frankreichs so wohlfühlen und in verschiedenen Ashrams meditieren, um sich selbst oder sonstwen zu finden. Skurrilerweise wird man von den Einheimischen deswegen auch hin und wieder auf Französisch angesprochen oder kann sich ein fein belegtes Baguette zum Frühstück kaufen, für dessen Preis man hätte drei Tage indisch essen gehen können. Nach unbarmherzigem Gefeilsche um zwei gebrauchte Matratzen auf dem Straßenmarkt, konnten wir für ein paar Tage bei Maries Bruder einziehen, der dort unibedingt einen Sprachkurs machte, und als wir ankamen gerade wegen einer selbst diagnostizierten Malaria flach lag. Schlimmeres konnte dank klassischer Wadenwickel jedoch erfolgreich abgewendet werden. Durch den Kontakt zur Sprachschule - die zwar verzweifelt versuchte ihren Schülern Tamil beizubringen, aber wöchentlich für kulturelle Highlights sorgte -konnten wir ein wenig tiefer in die indische Kultur eintauchen und einem Meister indischer Zupfinstrumentmusik lauschen. Übrigens bei ihm zuhause im Schlafzimmer, wo Klimaanlage und Ventilator vergeblich versuchten die Klangqualität zu mindern. Aber Marie eine kleine Erkältung verschafften. Danach verbrachten wir eine solide Woche in Mamallapurum, einem der wenigen Orte in Tamil Nadu, der so etwas wie eine entspannte Strandatmosphäre bieten kann. Samt einer ziemlich konstanten Welle, heiligen, aber trotzdem teils recht aggressiven Strandrindern (die seltsamerweise die brütend heiße südindische Sonne geradezu suchten), einer Tempelanlage mit riesigen Felsritzereien, in der sich Ziegen und Affen gleichermaßen wohl fühlen, und einem wirklich eindrucksvollen Vergnügungspark direkt am Meer. Männliche Inder - Frauen sieht man gar nicht so viele - verhalten sich am Strand meist sehr widersprüchlich. Auf der einen Seite wird jede noch so hässliche Europäerin, die sich mit gewohnter Badeklamotte in der Sonne aalt, begafft, als wäre die Göttin der Schönheit höchstpersönlich aufgetaucht und es bilden sich innerhalb von Minuten erstaunlich große Menschenansammlungen um selbiges Objekt der Begierde, auf der anderen Seite spielen sich zwischen genau den gleichen Männern so zärtliche, aber nur scheinbar homoerotische Szenen ab, dass man ins Grübeln kommen muss. Wenn man ganz viel Glück hat, ist man sogar dabei, wenn Fischerboote dazu dienen, klassische Titanic Filmszenen gemeinsam nachzustellen. Pärchen, die händchenhaltend über den Strand spazieren oder sich in den Wellen vergnügen wie Fünfjährige, sieht man eigentlich immer. So ganz sind wir der Sache nicht auf den Grund gekommen und vermutlich bleibt einem nur respektvoll zu sagen: Andere Länder, andere Sitten. Um zu vermeiden, dass man mit indischen Mietmofas im Nirgendwo strandet, sollte man - und das trotz Versprechen des Vermieters - den Tank checken (was nur durch rütteln, hören und vielleicht riechen möglich ist). Und wenn da nichts drin ist, kann man auch keine 30 km zurücklegen. Aber zum Glück sind Einheimische äußerst hilfsbereit und ein jeder weiß wie man kurzerhand etwas Benzin aus seinem eigenen Tank abzwacken kann, nachdem man sich ein wenig amüsiert hat. Der Ausflug hat zudem gezeigt, dass Krokodile, wenn Europäer aufkreuzen, nicht mehr die Hauptattraktion des Krokodilsparks sind. Auch wenn sie - vermutlich um Aufmerksamkeit zu erhaschen - zu hunderten neben- und aufeinander herumliegen. Übrigens, es gibt (wie die Bilder zeigen) Anzeichen dafür, dass sich jemand namens Hitler in Indien niedergelassen hat, um Vorhängeschlösser zu produzieren und selbige zu testen und mit seinem Gütesiegel zu versehen. Made in Germany mal anders.




Tamil_Nadu

05.09.2012

Bangkok und Nordthailand, 13. - 27.08

Zunächst fand eine weitere übergangsmäßige Familienzusammenführung in einem Hotel Bangkoks statt, in dem an jeder Ecke überfreundliches Hotelpersonal lauerte, um einem ganz generell im Hintern herumzukriechen. Vermutlich soll unterstrichen werden, dass Thailand das Land des Lächelns ist. Und die Mission wurde wirklich erfüllt. In Hotels geht die Sache aber mit Sicherheit ein bisschen zu weit. Attraktionen innerhalb der Stadt - vorwiegend buddhistische Tempel in unterschiedlichen Stadien des Verfalls, verschiedenste Großformatbilder des Königspaars und abfallbedingt zu Krokodilen mutierte Kanalleguane, um ein paar davon zu nennen - sind am besten nicht mit Tuk-Tuks (Mopedrickschas) zu besuchen. Man begibt sich in eine nicht zu unterschätzende Gefahr für Leib und Leben, zahlt selbst nach hartnäckigem Feilschen einen völlig überteuerten Preis im Vergleich zu normalen Taxis und, was vielleicht am wenigsten toll ist, man wird gar nicht dorthin gefahren, wo man eigentlich gerne hin will. Scheinbar kommen sogar mehrere Stops in unterschiedlichen "Thai-Juwelier-Centern" vor, und ganze eigentlich den Tempeln gewidmete Nachmittage verstreichen im zähen Verkehr Bangkoks. Manchmal bleibt einem nur, sich an der Ampel aus dem Tuk-Tuk zu stehlen, um weitere gehirnamputierte Diskussionen mit dem Fahrer zu vermeiden. Normale Taxis haben übrigens noch mehr zu bieten als in Phuket. Zu den bereits bekannten Funktionen (Karaoke etc.) gibt es außerdem oft die Möglichkeit einer Frau, häufig aber nicht immer mit dem Sprechblasentext "Ok" (was in Asien so viel wie "gut" zu heißen scheint), und außerdem kann man sich noch, von wem auch immer - vielleicht von der Frau -, massieren lassen. Nach vier interessanten Tagen in Bangkok und hitzigen Diskussionen über das angebrachte Mittel der Weiterreise (Fraktion Auto-ok vs. Zug-ok), haben wir uns ein Auto geliehen, konnten Bangkok Downtown nur dank GPS erfolgreich verlassen und sind über die wirklich unerwartet akzeptablen Straßen nach Norden in Richtung Chiang Mai aufgebrochen. Natürlich nicht ohne auf dem Weg verschiedenste Tempel zu bestaunen. Besonderes Highlight war dabei eine urbane Tempelfahrradtour bei der mit einer winzigen Fähre übergesetzt wurde und ganze Scharen von Elefantentaxis samt ungemütlich heftig schaukelnden Touristen unsere Wege kreuzten. Und man muss wirklich staunen, wie genau sich die Dickhäuter durch Fuß-Ohr-Kontakte von ihren Führern durch den quirligen Verkehr lenken lassen. Da Chiang Mai, die vermutlich schönste Stadt Thailands, allerhand zu bieten hat und wir so die Möglichkeit hatten, uns noch mehr sehenswerte Thailandimpressionen einzuverleiben, teilten wir die Reisegruppe zeitweise sogar in Teams auf. Und während die einen erfolgreich versuchten im "Goldenen Dreieck" nicht in der ein oder anderen Opiumhütte zu versumpfen oder ihren unstillbaren Durst nach Tempelanlagen befriedigten, lernten die anderen selbst Hand anglegend die wirklich außergewöhnlich gute thailändische Küche kennen oder irrten durch erfrischend unerschlossene thailändische Höhlensysteme (in der wir nur dank einer mit Gaslampe ausgestatteten Führerin nicht für immer in der Dunkelheit verlorengingen). Die sechzehnstündige Rückreise nach Bangkok erfolgte (dank eines Siegs der Fraktion Zug-ok über Flug-ok) mit der Königlichen Thailändischen Eisenbahn. Und es ist wirklich eine tolle Erfahrung, bei offenen oder nicht vorhandenen Fenstern im Speisewagen ein Bierchen zu kippen und mit Malayen darüber zu sprechen, wie toll es ist eigenes Erdöl zu haben, sich im "Abteil" frisch zubereitetes Curry servieren zu lassen oder sich einzubilden, dass der Rhythmus des Zugfahrens in irgendeiner Weise einschläfernd wäre. Außerdem sieht man vom Zug aus eine sehr viel schönere Seite des Landes, auch wenn man vor lauter Glückseligkeit aupassen musste, beim Umherwandeln zwischen den Wagons nicht auf den Gleisen zu landen.




Bangkok_Nordthailand