25.10.2012

Goa, 12. - 24.10

Obwohl Goa teils erheblich vom eigentlichen Indienbild abweicht, darf man nicht vergessen, wo man sich befindet. Vor allem darf man sich nicht dem Irrglauben hingeben, dass frische Salate und Fleisch, nur weil sie in schicken Restaurants zubereitet wurden, während ihrer Zubereitung plötzlich penibelste Hygienestandards genossen hätten. Wir sind darauf reingefallen und mussten mehrere Tage im schattigen Zimmer bzw. vornehmlich in dessen Bad verbringen. Zum Glück hat uns die Inkubationszeit aber noch ausreichend Zeit gelassen, einiges des kleinsten indischen Bundesstaats zu erkunden. Die ersten Tage verbrachten wir im ruhigeren Süden, mussten aber weiterziehen, weil wir von Rias, einem nervigen Kashmirihändler, gestalkt wurden. Es verging bald keine Mahlzeit mehr, an der er nicht mehr oder weniger zufällig mit uns am Tisch saß. Außerdem hat er, zuvorkommend wie er war, unsere Tage durchgeplant, in seinem Laden gekocht und uns einen kaputten Roller vermietet. Vor allem aber, hat er uns tierisch genervt. Ach so, falls jemand vor hat, Wanderungen im Himalaya zu machen, Hochgebirgstouren sind Rias' zweites Standbein. Aber er nimmt nicht mehr als 30 Leute auf einmal mit. Das wäre unverantwortlich. Wir mussten weiter. Die stark kolonial geprägte Hauptstadt Panaji oder Panjim ist mit Abstand die schönste größere indische Stadt, die wir zu Gesicht bekamen, und bietet zudem die Möglichkeit außergewöhnlicher, abendlicher Schiffsrundfahrten. Eigentlich dachten wir, wir würden in ruhiger, romantischer Stimmung dem Arabischen Meer samt untergehender Sonne entgegenschippern und verträumt an der Reling stehen. Aber es kam alles ganz anders, wie so oft in Indien. Eigentlich handelte es sich nämlich um ein Großraumdiskoschiff auf dem, animiert von DJ und MC, abwechselnd Kinder, Verheiratete, weibliche Singles, männliche Singles und kostümierte, vermutlich unterbezahlte Folklorematrosen zu völlig übertrieben lauter Musik das trittsichere indische Tanzbein schwangen. Am beeindruckendsten, weil sehr exstatisch und kraftvoll vorgetragen, war der Tanz der männlichen Singles, die die Bühne gar nicht mehr räumen wollten. Verwaiste Tanzflächen bei indischen Schullandheimen - sofern so was existiert - sind wohl eher unüblich, und die ersten jungen Tänzer mit Sicherheit männlich. Obwohl wir das Schiff am Ende mit einem leichten, mehrere Stunden anhaltenden Pfeifgeräusch in den Ohren verließen, können wir den Trip wärmstens empfehlen. Wirklich witzig. Wir sind dann weiter, zur immer größer werdenden Konzentration ausländischer Goatouristen in Richtung Küste. Die meisten dort sind übrigens keine Hippies, die in ihren Batikshirts und auf Acid am Strand tanzen, um angestrengt die Welt zu einer besseren zu machen, sondern langweilige Pärchen, die, nachdem sie sich ausreichend im Restaurant angeschwiegen haben, um spätestens 22:15 in der Falle liegen. So wie wir also. Richtige Hippies sieht man nur noch in Form von Veteranen mit verwaschenen Tattoos und vollen Einkaufstüten des überteuerten, westlichen Kapitalistensupermarkts. Auch in Goa ist das Transportmittel der Wahl der Roller und es macht riesig Spaß, damit übers Land zu brausen. Je weiter man Richtung Norden fährt, desto mehr legt sich das Getümmel wieder und man kann sich vorstellen, wie schön es vor einem halben Jahrhundert vermutlich überall aussah. Außerdem gibt es einen Strand, wo sich nur ein einziger Ochse und ein offensichtlich unterforderter Rettungsschwimmer aufhalten. Kurz nachdem wir ankamen, lief er selbstsicher am Strand hin und her, um uns vermutlich zu signalisieren, dass wir ohne Angst ins Wasser springen konnten. Hätten wir vermutlich auch getan, wenn sich nicht die ersten Anzeichen einer hartnäckigen Magenverstimmung bemerkbar gemacht hätten und wir schleunigst den Roller satteln mussten. An mehrerern intensiver erschlossenen Stränden, Rettungsschwimmer gab's auch dort, wurde gerade ein Bollywoodfilm über Goa gedreht. Und weil zu Goa natürlich ein ganzer Haufen "Weißbrote" gehört, wurde - neben ein paar Quotenrastalocken - gleich eine ganze russische Chartermaschine verpflichtet, damit sich genug billige Statisten im Hintergrund räckelten, während die Hauptdarsteller das machten, was sie in indischen Filmen immer machen: singen und tanzen. Die Zugfahrt nach Mumbai war absolut genial, weil wir mit viel Glück ein ganzes kleines Abteil für uns allein hatten und uns von den zuvorkommenden Essenshändlern, die gefühlt alle zwei Minuten mit neuen Leckereien durch die Wagons streifen, königlich verkosten lassen konnten. Über Mumbai gibt es so gut wie nichts zu erzählen, weil wir hauptsächlich in einem der vielen überteuerten Hotels in Flughafennähe dösend auf die Abreise in der kommenden Nacht warteten. Ein kleiner Spaziergang hat - neben zahlreichen toten Ratten und viel Lärm - aber gezeigt, dass Internetcafes schon morgens um zehn für die nächsten sechs Stunden ausgebucht sein können, weil erstaunlich viele Leute online Autorennen spielen wollen.




Goa

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