15.10.2012

Von Chennai nach Goa, 28.09 - 12.10

Zurück von den Andamanan musste erst eine kleine Grippe überstandenen werden - natürlich nicht, ohne sich psychologisch ausreichend mit Malaria zu beschäftigen -, bevor wir nach Richtung Ooty, einer früheren "hillstation" überhitzter englischer Kolonialisten, in den bergig kühlen Westghats aufbrechen konnten. Eigentlich war die fieberbedingte Verzögerung auch essentiell für die erwartungsgemäß uneinfache Zugticketbeschaffung, weil Stromausfälle, Serverprobleme und ausgebuchte Züge den eigentlichen Abreisetermin ohnehin um mehrere Tage hinauszögerten. Das letzte Stück bis hinauf zum südindischen Bergidyll, kann man mit einer alten Schmalspureisenbahn samt UNESCO-Weltkulurerbe-Status zurücklegen. Und obwohl wir trotz, wie anders zu erwarten, ausgebuchtem Zug zwei Minuten vor Abfahrt die Erlaubnis vom "station master" bekamen, mitfahren zu dürfen, hat uns die Aussicht auf mehr als fünf Stunden in den heftigst überfüllten Wagons dann doch zu sehr abgeschreckt. Vor allem gab es keinerlei Möglichkeit zur Verrichtung großer sowie kleiner Notdurft, was wohl das Zünglein auf der Waage war. Julian Assange hat das alles weniger gekümmert, aber er hatte aber auch ein 1. Klasse-Ticket. Außer sich abkühlen und zu Fernsehpferderennen (direkt neben der eigentlichen Rennbahn...???) gehen, kann man in Ooty eigentlich gar nicht so viel machen. Jedenfalls hatten wir den Eindruck. Und nach zwei recht unterkühlten Nächten, die seit langer Zeit mal wieder unter richtigen Decken verbracht werden mussten - manche Reiseteilnehmer haben trotzdem bitterlich gefroren -, sind wir wieder in mildere Gefilde abgestiegen. Nur dank der auskunftsfreudigen Hilfe Einheimischer Busreisender, kamen wir nach der Kombination Rickscha-Bus-Bus-Jeep in Bokapuram an, einem kleinen Örtchen direkt an der Grenze zum Mudumalai Nationalpark, wo sich Tiger, Bären, Elefanten und ein ganzer Haufen weiteres Getier in den Wäldern tummeln. Obwohl der Park wegen einer obligatorischen Tigerzählung geschlossen war, konnten wir, nachdem wir vor Sonnenaufgang von unserem kleinen Baumhaus gestiegen waren, mit zwei äußerst kompetenten Fährtenlesern/Tierstimmenimmitatoren die auch schon ziemlich wilden Randbereiche erkunden. Schon während der ersten hundert Meter hörten wir sogar das gruslig dumpfe brüllen eines Tigers, was bei unseren Führern freudige Jagdinstinkte, bei uns eher das Gefühl weckte, sich wieder auf das Baumhaus zurückzuziehen. Jedenfalls versuchten wir tapfer der Großkatze auf der Spur zu bleiben - schließlich waren wir ja auch mehr als ausreichend mit Wanderstöckchen bewaffnet -, waren dann aber doch ganz froh darüber, eine Begegnung mit unserem wenig geschmeidigem Gepolter durchs Unterholz vereitelt zu haben. Von den vielen Elefanten im Park haben wir zunächst nur deren Hinterlassenschaften unterschiedlichen Feuchtegrades gesehen, und gerochen. Aber wir mussten staunen, weil der Elefantentrampelpfad eher einem Klettersteig als einem barrierefreien Wanderweg ähnelte, und die Riesen scheinbar doch sehr viel gelenker sind, als sie es sonst zugeben wollen. Jedenfalls konnten die riesigen Haufen von keiner noch so großen Bergziege stammen, ganz zu schweigen von den winzigen, schwarzgesichtigen Äffchen, die unseren Ausflug mit ihren Warnrufen akustisch untermalten. Unser Hotelchef hatte dann noch einen ganz besonderen Wildlife-Tip für uns: ein Besuch zuhause bei Mark, alias "Mad Mark". Mad Mark lebt relativ einsam und verlassen in der Wildnis des Gudalur Tals, wird aber von Zeit zu Zeit von neugierigen Reisenden besucht, und eigentlich jeden Tag von Rivaldo. Rivaldo ist ein stattlicher, wilder Elefantenbulle, der - wie zahlreiche andere Tiere - gerne mal bei Mad Mark vorbeischaut. Mark sitzt in der Regel entspannt rauchend und mit unnatürlich roten Augen auf seiner Veranda und muss Rivaldo hin und wieder mit einem lächerlich dünnen Stöckchen davon abhalten, sich an Auto oder Dach zu vergehen. Währenddessen spielen sich im Hintergrund kitschigste Wildtierszenen ab (besonders hervorzuheben dabei der Pfau samt Hirsch) und auch ein bei dem Trubel eher wenig beachtetes Wildschwein streift umher. Nach zwei Nächten im Safariland mussten wir schon weiterziehen. Zum einen, weil man ein Baumhaus nicht hinterher geschmissen bekommt, auch nicht in Indien, zum anderen, weil eine westliche Yogagruppe aufkreuzte, um sich von den - für unseren Geschmack etwas zu beleibten - indischen Yogis der Erleuchtung einen Schritt näher zu bringen. Es begann eine sich mehrmals wiederholende Schleife aus Transport, Essen und Schlafen in indischen Städte, die sich wie ein Ei dem anderen glichen und deren Namen wir bereits beim Auschecken aus den charakterlosen Unterkünften vergessen hatten. Und es gibt über diese eher unschön anstrengende Periode nicht viel zu berichten, außer dass Kerala mit der Kombination Kommunismus, Großgrundbesitz, Religionsfreiheit und Rindfleischverzehr gut auszukommen scheint, Rickschafahrer in Karnataka in der Lage sind, ihre Rickschameter zu benutzen, ohne mit einer Waffe bedroht werden zu müssen, und dass Zugfahren, sofern man in der billigsten Klasse fährt - was die nervige Reservierungsbürokratie umgeht - und keine Scheu vor intensiven körperlichen und sozialen Kontakten besitzt, wirklich das Reisemittel erster Wahl ist. Vor allem sehr schonend für den Rücken, und man lernt äußerst liebenswerte einheimische Mitreisende kennen. Eine sich verblüffend schnell bildende, hartnäckige und für Indien scheinbar tyische Reiseschmutzschicht auf der Haut kann man trotzdem nicht vermeiden. Zuletzt noch drei Bemerkungen: 1. Das schlechteste Bier der Welt heißt Köt, 2. weiße Reitpferde sind besser bezhalt als der Rest (was diese aber nicht davon abhält, ihre "Reiter" während der kurzen "Ausritts" auf der Hauptstraße abzuwerfen) und 3. dank eines Friseurbesuchs in Coimbatore seh ich jetzt aus wie Jeanne d'Arc mit Hornbrille. Ach so, dass erste Bild zeigt Dosa. Isst man morgens und abends, und ist einfach, aber ziemlich lecker.




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