03.10.2012

Little Andaman, 18. - 28.09

Um noch ein wenig weiter in die entlegene Inselwelt vorzustoßen, sind wir im Anschluss an einen kurzen Aufenthalt in Port Blair, samt beeindruckendem anthropologischem Museumsbesuch (vor allem mit zwei angehenden Ethnologen, die wir kaum noch aus dem Gebäude bekamen), einer gewohnt umständlichen Ticketbeschaffung für die Fähre am nächsten Tag, die eigentlich hoffnunglos ausgebucht war und einer zeitraubenden Flugumbuchung (ein Bild zeigt zwei von mindestens drei Air India Mitarbeitern, die ein komplettes A4-Blatt vollkritzelten, um uns den neuen Tarif von Hand zu berechnen, die Ergebnisse waren erwartungsgemäß verschieden), nach Little Andaman aufgebrochen, die abgeschiedenste Insel, die für Touristen zugänglich ist. Nach einer demenstsprechend noch längeren Fährfart - gekotzt wurde ebenfalls ausgiebiger -, kamen wir nicht nur als einzige Touristen dort an, sondern waren auch die einzigen während der ganzen sieben Tage. Und so klein ist die Insel eigentlich gar nicht. Am Pier haben wir uns gleich mal von einem ganz billigen Trick linken lassen. Der Taxifahrer hat uns eine Hochglanzvisitenkarte von einem absoluten Traumressort gezeigt, weshalb wir an potenziellen Übernachtungsmöglichkeiten auf dem Weg ziemlich hochnäsig vorbeiheizt sind. Jinas Ressort hat sich dann als Ansammlung winziger Bambushütten innerhalb zahlreicher Kuhfladen mit Gemeinschaftsbad entpuppt, und als wir dort im strömenden Regen ankamen, konnten wir nicht verhindern - vor allem nach einigen hartnäckigen Regentagen im Vorfeld -, dass sich ein kleines Stimmungstief breitmachen konnte. Aber die Lage war eigentlich fantastisch, sobald man die kaum frequentierte Straße überquert hatte, und die Kuhfladen wurden schnell beseitigt. Irgendwie hatte niemand so recht mit Besuch zur Regenzeit gerechnet. Außerdem war Jina ein wirklich begnadeter Gastgeber und guter, wenn auch ein wenig zu stressfreier Koch (man konnte ihn in der Regel gut drei Stunden bei der Zubereitung beobachten), der uns einzig und allein mit seiner selbstbewusst vorgetragenen und zoologisch unrichtigen Prognose enttäuschte, dass Riesenschildkröten jede Nacht zur Geisterstunde den Strand besuchen würden. Wir sind deswegen in wirklich mondlos stockdunkler, dafür aber prächtig besternter Inselnacht über den Strand geirrt - das Wort Lichtverschmutzung ist hier sicher wenig verbreitet bis unbekannt -, um vergeblich Ausschau nach den trägen Geschöpfen zu halten. Schildkröten lassen sich, nach einstimmiger Aussage verschiedener Quellen, die wir im Nachhinein befragten, nur im Dezember zur Eiablage blicken. Unsere schnell ans Herz gewachsene Hundegang, alle mit der ein oder anderen physischen oder psychischen Behinderung (Hund in Indien zu sein, ist sicher kein Hauptgewinn), ist uns trotz des irrtümlichen Ausflugs nicht von der Seite gewichen und hat uns tapfer in der Wildnis beschützt - wobei die vermutlich größte Gefahr von einem außergwöhnlich gigantischen Einsiedlerkrebs ausging, der gar nicht mehr in seine Hütte gepasst hat. Die Tage haben wir, wenn es nicht zu sehr regnete, in der Regel mit verschiedenen Rollerinselerkundungen zugebracht, was wirklich eine Menge Spass macht, und selbst wenn man einfach drauflos fährt und die Leute fragt (Reiseführer können ohnehin getrost zuhause bleiben), kann man allerhand erleben; z.B. durch Palmölplantagen fahren, wo Elefanten keine Taxis oder arbeitslos sind (wie häufig in Thailand), sondern ihren Lebensunterhalt noch mit hartem Tagwerk verdienen müssen, sich beim Angeln von der Brücke von gelb-grünen, und wie wir später erfahren haben, giftigen Schlangen erschrecken lassen - Marie hat ein richtiges Gespür für Schlangen entwickelt und befindet sich meist direkt davor, wenn sie auftauchen -, oder in der Dämmerung Krokodile beobachten, die geschmeidig und scheinbar bewegungslos jagend durchs Wasser gleiten. Die Inselbewohner, ob Tamile, Bengale oder Nikobarese sind übrigens extrem freundliche Leutchen. Keiner will einem, wie andernorts in Indien, irgendwas verkaufen, nur weil man anders ausssieht, sondern die meisten sind einfach nur froh und neugierig, wenn alle Jubeljahre mal ein paar Fremde auf der Insel aufkreuzen. Laut Aussage von Murthu, Surfgott, Fischer und Alkoholiker, der in einer Tsunamisiedlung wohnt, liegt das maßgeblich daran, dass die Bevölkerung der Andamanen nicht von außländischen Hippies beeinflusst wurde, weil weit ab vom eigentlichen Hippietrail. Wir wissen's zwar auch nicht, aber vielleicht ist ja was dran. Außerdem sind wir auch gleich von einem Seefahrer zu jeder nur denkbaren, täglichen Nahrungsaufnahme eingeladen worden und haben dann eine gemütliche Chaizeremonie bei ihm zuhause abgehalten, allerhand über die Aufstiegsmöglichkeiten eines Ersten Maats erfahren und Debu dann wegen eines "rain problems" ziemlich rasant zu einem lauschigen Stausee hinterhergeheizt. Selbst auf ziemlich einsamen Inseln mit nur selten auftretendem zähfließenden Verkehr muss der linke Daumen übrigens stets auf der Hupe ruhen, und obwohl die meisten Fahrzeuge einen Blinker besitzen, schickt es sich, eine Fahrtrichtungsänderung mit einem "handsignal" anzukündigen. Zurück in Port Blair machten wir dann noch zwei Beobachtungen, die wir nicht verschweigen sollten: 1. Nikobaresisches Essen wird international überschätzt, und schmeckt trotz der fantastischen Farben reichlich fad, auch wenn die herzlichen Verkäuferinnen allerhand wegmachen können, und 2. es ist physikalisch möglich, zu viert samt komplettem Reisegepäck in einer Rickscha zu fahren, und man will 30 Cent natürlich sparen, wo immer man kann.




Little_Andaman

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