27.02.2012

Pucón, 24. - 28.02.

Der eigentliche Plan war, mit dem Bus von Pichilemu nach San Fernando zu fahren, um dort auf den Nachtbus von Santiago nach Pucón aufzuspringen. Soweit zumindest die uns vorgelegene Information aus verlässlich geglaubter, lokaler Quelle. Hat aber leider nicht geklappt und führte zu einer wahren Busodyssee. Nachtbusse fahren nämlich ausschließlich von der Hauptstadt und halten sonst eigentlich so gut wie gar nicht. Also mussten wir, ohnehin schon ausgehungert und müde von den letzten drei Stunden Busfahrt, schnellstens neue Tickets beschaffen, um dann vier Stunden wieder nach Santiago zu gurken, in den Bus zu steigen, der dann die gleichen vier Stunden Strecke plus sieben weitere in die Richtung fuhr aus der wir gekommen waren. Durch einen kleinen Lapsus des ansonsten äußerst sprachbegabten deutschen Reiseführers Herrn Dr. spe. Bläschke, kam es zu einer geringfügigen Verständigungsproblematik, die ihrerseits wiederum dazu führte, dass die Reisegruppe nicht mit den ansonsten üblichen Liegeschlafsesselbussen, sondern in der harten Holzklasse reisen musste. Sogar unterste chilenische Einkommensgruppen scheinen sich zweimal zu überlegen, ob der Trip unter solchen Umständen wirklich nötig ist. Aber Marie hat bestens geschlafen, sei gleich mal gesagt. Komisch war nur, dass beiden Reiseteilnehmern während der nächtlichen Schaukelfahrt samt beunruhigender Getriebegeräusche, heftigst das Gesicht juckte (aus bisher ungeklärtem Grund). Wieder einmal hat es und dann, endlich in Pucón angekommen, in ein sehr ökologisch ausgerichtetes Hostel verschlagen, (Ausrufezeichen umgedreht)école!. Neben zahlreichen positiven Eigenschaften, auf die hier nicht erschöpfend eingegangen werden kann, hat sich leider herausgestellt, dass weder Frühstück inklusive war noch Kochmöglichkeiten existierten, und sehr kostenintensive Tage nahmen ihren Anfang. Kaum zehn Minuten im Hostel eingecheckt, ging zum ersten mal die Vulkanalarmsirene los, wie wir leider noch nicht wussten nur zum - ausgesprochen weitsichtig - Test. Kommt hier, wie wir nun vermuten, ungefähr alle zwei Tage vor, und zeigt ansatzweise, wie gefährlich nah die Menschen hier an einem riesigen, aktiven Vulkan hausen. Aber genau der, war auch einer unserer großen Missionen hier im Pucón, natürlich nicht ohne uns am Vortag in den herrlich erdgewärmten, nur leider völlig überfüllten Thermen zu aalen. Wir waren an einem Samstag während der hiesigen Ferien dort. War aber trotzdem schön, und gab einem zudem die Möglichkeit, mit der ansässigen Bevölkerung noch näher in Kontakt zu treten, indem man neugierig die jeweilig etwas anders aussehenden Leiber beglotzte. Festzustellen war dabei, dass Chilenen, wie natürlich wir deutschen Fettsäcke auch, adipöse Anwandlungen haben bzw. sich in der kommenden Generation massive Probleme in diesem Zusammenhang anbahnen werden. Witzig war, dass der Busfahrer bei der Hinfahrt zu den Thermen einen Extravan, vermutlich seines Kumpels, organisiert hatte, um die ganzen Leute hochzukarren. Bei der Rückfahrt mussten dann alle etwas näher zusammenrücken, aber die traditionellen chilenischen Klänge aus der Musikanlage haben uns die Busfahrt enorm versüßt, und wir fuhren mit einem Lächeln zurück nach Pucón, und hofften, dass die Bremsen ihren Dienst nicht aufgeben würden. Am nächsten Tag ging's dann auf den Vulkan. Start war um 06:30 in aller Hergottsfrüh, aber große Taten erfordern in der Regel die Anwesenheit besonders früher Vögel. Eigentlich wollten wir schon um 04:30 aufbrechen, aber das Wetter hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht. Jedenfalls waren wir dann mit ca. acht weiteren Wagemutigen und dem ein oder anderen, mehr oder weniger gut ausgebildeten "Guide", so um 07:30 am Basecamp auf 1300 m und stellten fest, dass man ungefähr so weit sehen konnte, wie man einen größeren Felsbrocken werfen kann. Auch unsere Bergführer machten uns wenig Hoffnung, dass wir allzu viel sehen würden, und die Gruppe trennte sich darauf in die Fraktionen "abenteuerlustig, hoffnungsvoll naiv" und "sparsame Schisser". Wir waren der Zweiten angehörig und schon wieder auf dem Weg nach Pucón, als uns die anderen freundlicherweise darüber in Kenntnis setzten, dass es oben, nach nur wenigen Minuten Fußmarsch heftig aufreißen würde und sogar der Gipfelsturm, eigentlich völlig aus dem Bereich des Möglichen gerückt, vielleicht doch noch möglich wäre. Wir mussten uns daraufhin kurzerhand beraten, und sind dann wieder umgekehrt, um großes zu leisten. In straffem, fast militärischen Stil, ging es dann recht rasant nach oben (vermutlich mit dem Ziel unnötigerweise zu den anderen aufzuschließen). Erst nach 800 Höhenmetern kam der erste Stop samt kurzer Pause (wirklich kurz) und dann weiter vorbei an ehemaligen, vom garstigen Vulkan arglos zerstörten Liftanlagen aus den Neunzigern bis auf ca. 2500 m zum Beginn eines Gletscherschneefelds. Der Umstand, dass sich ein großer Felsbrocken löste und auf einen Teil der Gruppe zuschoss (ist aber zum Glück nichts passiert, hatten auch Helme auf, die Guides übrigens nicht), sowie der Anblick der ersten, an ihren Grenzen angelangten Touristen, die schon wieder auf dem Rückweg waren, führten dazu, dass sich eine leichte Unsicherheit breitmachte, die sich sehr gut an Marie's Gesichtsausdruck ablesen ließ. Trotzdem begaben wir uns dann unter vermeintlich sicherer Führung unserer vermeintlich erfahrenen Guides mit unseren Eispickeln bewaffnet in die weiße Hölle. Die ein oder andere Gletscherspalte wurde spielend und mit ausgesprochener Leichtigkeit einfach übersprungen, was unter Einfluss des nun heftigen Windes vor allem für die weniger schweren Expeditionsteilnehmer höchste Konzentration erforderte. Mit zunehmender Höhe trübte sich leider auch die Sicht auf den majestätischen und stetig ein bisschen rauchenden Vulkan und das Wetter wurde immer rauer und rauer. Marie wurde umgekehrt proportional dazu immer weniger und weniger entspannt, und entschied sich auf Höhe des letzten Basecamps, jeden weiteren Aufstieg völlig zu verweigern. Diese im Nachhinein weise Entscheidung hat den in ihr schlummernden Bergführerinstinkt gezeigt, denn an dieser Stelle wurde der Aufstieg für sämtliche Gruppen abgebrochen, um möglichen Unglücken vorzubeugen. Dann blieb uns nur noch, schnell unsere "Arschprotektoren" überzustreifen, die auch in Deutschland übliche Plastikschneerutschkirsche in eben jenen einzuhängen, um dann ins Nichts zu rutschen. In der einzigen Hoffnung nicht der erste zu sein, bzw. dem Vordermann nicht in sein Verhängnis, also in die Gletscherspalte zu folgen. Wie wir aber dann erkannten, wurden die größeren Spalten ausgesprochen sicherheitsliebend mit kleinen Fähnchen abgesteckt. Hat wirklich großen Spaß gemacht, und wann rutscht man schon mal einen kompletten Vulkan auf einer solchen Kirsche herunter? Fazit: Hammertrip für Berti, und das Ende von Marie's Freizeitaktivitäten oberhalb des Albtraufs. Achso, Pucón ist die Abenteuerstadt in Südamerika und ein Mekka für Tausende Adrenalinjunkies aus aller Welt. Von Rafting über Bergsteigen, Hydrospeed (muss "gigantisch" sein) und Baumkronenbalancieren, bis hin zu Ausritten zu den Mapuche (Adrenalin??) ist hier alles geboten, leider aber nicht ganz billig. 


Pucon

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